Chemisches Recycling bietet zusätzliche Nahrungsquelle
Erik Kruisselbrink | 05. Juni 2023
Neben Monomaterialien mit Barriereeigenschaften werden bald auch immer mehr Lebensmittelverpackungen nach dem chemischen Recycling (auch Advanced Recycling genannt) von Verpackungsabfällen eingeführt. Darüber hinaus können auch kontaminierte Non-Food-Verpackungen aus gemischten Kunststoffen in saubere Lebensmittelverpackungen umgewandelt werden. Ölkonzerne und Chemiegiganten machen es vor. Das war auf der interpack vom 4. bis 10. Mai in Düsseldorf nicht zu übersehen.
Einer der großen Player, der sich stark für chemisches Recycling einsetzt, ist ExxonMobil. Das Unternehmen ist nicht nur ein Mineralölkonzern, sondern seit langem auch als Folienlieferant im Verpackungsmarkt tätig.
Eine der Entwicklungen in diesem Bereich ist der Trend zu Monomaterialien mit Barriereeigenschaften für frische Lebensmittel. Während diese Verpackungsart bis vor Kurzem noch aus Laminaten aus Verbundkunststoffen bestand, kommen immer mehr Varianten auf den Markt, bei denen alle unterschiedlichen Schichten aus der gleichen Kunststoffart bestehen. Hauptsächlich Polyethylen (PE). Dank technischer Innovationen – beispielsweise durch Dehnung des Kunststoffs in verschiedene Richtungen – wurden neue Barrieren gegen das Eindringen von Wasserdampf und Sauerstoff entdeckt, die zum Produktverderb führen.
Auf der kürzlich abgehaltenen K-Messe waren bereits verschiedene Produkte verschiedener großer Folienhersteller zu sehen, die Mono-PE-Lebensmittelverpackungen zeigten. Allerdings sind Monomaterialien nicht für alle Produkte eine geeignete Lösung und ein Verbundlaminat ist in vielen Fällen die einzige Lösung gegen Produktverderb.
Der Vermarkter Surechal zeigte einen chemisch recycelten Lebensmittelbeutel.
Um Verpackungen, die bis vor Kurzem nicht recycelbar waren, ein neues, zweites Leben als Rohstoff zu ermöglichen, wurde das chemische Recycling entwickelt. Es ist eine viel teurere Methode als mechanisches Recycling, aber möglicherweise die einzige Option, wenn wir die Menge an Kunststoffabfällen, die nur deponiert oder verbrannt werden können, weiter reduzieren wollen. Es ist nicht mehr nur Theorie, sondern verschiedene Großabnehmer haben und geben das Geld aus, um dieses Verpackungsmaterial zu verwenden. Dadurch ist es wiederum möglich, ihre Nachhaltigkeitsambitionen zu unterstreichen.
Nach der Inbetriebnahme einer fortschrittlichen Recyclinganlage für gemischte Verbundkunststoffe, die nicht mechanisch recycelt werden können, in Baytown, Texas, USA, wird Mitte nächsten Jahres auch eine Anlage in Rotterdam und Ende nächsten Jahres zusätzlich in Antwerpen eröffnet zu anderen, ähnlichen Fabriken auf anderen Kontinenten.
ExxonMobil nutzt patentierte Technologie, um schwer zu recycelnde Kunststoffe abzubauen und in Rohstoffe für neue Produkte umzuwandeln. Es ist in der Lage, mehr als 80 Millionen Kilogramm Plastikmüll pro Jahr zu verarbeiten. ExxonMobil plant, bis Ende 2026 jährlich 500 Millionen Pfund Altkunststoffe zu recyceln.
Seit Beginn des Pilotbetriebs in Baytown im vergangenen Jahr hat ExxonMobil fast 15 Millionen Pfund Plastikmüll recycelt. Die patentierte Exxten-Technologie ermöglicht die Zersetzung von Plastikmüll, der zuvor auf Mülldeponien landete – von synthetischen Sportplätzen bis hin zu Luftpolsterfolie und Motorölflaschen.
Das Unternehmen half bei der Gründung von Cyclyx International, einem Joint Venture mit Agilyx, das gegründet wurde, um große Mengen an Kunststoffabfällen zu sammeln und zu sortieren, und investierte dann in eine Verarbeitungsanlage für Kunststoffabfälle in Houston, um die moderne Recyclinganlage von ExxonMobil in Baytown zu beliefern.
Um das fortschrittliche Recycling zu beschleunigen, ist ExxonMobil Gründungsmitglied der Houston Recycling Collaboration, die Regierung und Industrie zusammenbringt, um den Zugang zu Recyclingprogrammen zu verbessern und die Infrastruktur für mechanische und fortschrittliche Recyclingtechnologien zu erweitern.
ExxonMobil arbeitet außerdem mit Dritten zusammen, um das Potenzial für die groß angelegte Implementierung fortschrittlicher Recyclingtechnologien und Möglichkeiten zur Unterstützung von Verbesserungen bei der Sammlung und Sortierung von Kunststoffabfällen in Malaysia und Indonesien zu bewerten.
ExxonMobil verfügt über Handelsverträge zum Verkauf zertifizierter Kreislaufkunststoffe an Kunden auf der ganzen Welt zur Verwendung in lebensmittelechten Kunststoffverpackungen, einschließlich Partnerschaften mit Sealed Air (jetzt bekannt als SEE) und Ahold Delhaize USA, Berry Global und Amcor.
Auf der interpack zeigte die Barek Plastics eine Anwendung in Form eines Standbodenbeutels für Lebensmittel, aber auch Tierfutter und andere Anwendungen sind selbstverständlich möglich.
Mit Exceed S Performance demonstrierte ExxonMobil eine neue PE-Folie in verschiedenen Varianten, die jeweils über eigene zusätzliche Eigenschaften in einer Mono-PE-Verbundfolie und damit recycelbaren Folie verfügen. Exceed S kann beispielsweise in Bag-in-Box-Flüssigkeitsverpackungen, vollständig PE-laminierten Lebensmittelverpackungen und schweren Beuteln für Polymergranulat verwendet werden.
Exceed S Performance-PE ist ein Mono-Polyethylen (PE) von ExxonMobil, das je nach Anwendung in verschiedenen Varianten erhältlich ist.
Im Rahmen der Vorbereitungen für eine mögliche Markteinführung werden 80 Projekte im kommerziellen Maßstab getestet. Eigenschaften, die Exceed S laut ExxonMobil hinzufügt, sind Steifigkeit, Zähigkeit und einfache Verarbeitung dank niedriger Schmelztemperatur und damit erhöhter Leistung.
Nach Angaben des Herstellers kann durch die Zugabe dieser neuen PE-Folie die Gesamtdicke reduziert und der Anteil an hochdichtem Polyethylen (HDPE) in einer Verpackung reduziert oder sogar beseitigt werden. ExxonMobil behauptet, die Nachhaltigkeit zu verbessern, weil Verpackungen weniger Material enthalten.
Gemeinsam mit Mura Technology will Dow bis 2030 Fabriken in Europa und den USA für zusätzliche 600 Kilotonnen chemisches Recycling bauen.
Darüber hinaus unternimmt Dow weitere Schritte im Bereich Nachhaltigkeit und macht Verpackungen stärker zirkulär. Zum Beispiel in Form von Monomaterialien mit Barrierefunktionen (siehe Foto oben auf der Seite), aber auch zum Beispiel als Schrumpffolie zum Einwickeln von Paletten, die aus Verbraucherverpackungsabfällen hergestellt wird.
Für Elopak liefert es beispielsweise den biobasierten PE-Liner für die Barriere, der die Verpackung noch nachhaltiger machen soll.
Sabic zeigte einen kürzlich eingeführten Flowpack aus biaxial orientiertem recyceltem Polypropylen (BOPP) für den Fruchtriegel KIND des Herstellers Mars. Um solche recycelten und recycelbaren Verpackungen zu entwickeln, hat sich Sabic mit den Snack- und Tierfutterherstellern Mars und Landbell zusammengetan.
Der KIND-Fruchtriegel ist seit kurzem in einem biaxial orientierten Polypropylen-Flowpack (BOPP) mit Material von Sabic erhältlich.
Das Material wird aus einem gemischten Post-Consumer-Recycling-Kunststoffabfallstrom (PCR) hergestellt. Der Prozess beginnt mit der von Landbell koordinierten Sammlung gemischter Altkunststoffe. Bei der Sortierung der gemischten Altkunststoffe arbeitet Landbell mit dem Entsorgungsunternehmen Hündgen zusammen und liefert das gemischte Material an Plastic Energy. Dort wird es durch den patentierten TAC-Prozess (Thermal Anaerobic Conversion) in Pyrolyseöl namens Tacoil umgewandelt. Dieses Pyrolyseöl dient als alternativer Rohstoff für die Herstellung von BOPP-Granulat, das von Sabic für den Lebensmittelkontakt zugelassen ist. Dieses wird dann an Taghleef geliefert, das es zu Folie verarbeitet. Der Konverter SIT Group nutzt die BOPP-Folie schließlich zur Herstellung bedruckter Verpackungen auf Rolle für die KIND-Fruchtriegel.
Mars nutzt BOPP bereits seit einiger Zeit als Verpackungsmaterial, und zwar für seine Katzenfuttermarke Sheba. Aber jetzt auch für ein Lebensmittelprodukt für den menschlichen Verzehr.
Am Sabic-Stand war außerdem ein neuer Beutel aus „Ozean“-Kunststoff für die gefrorenen Garnelen des norwegischen Unternehmens Coldwater Prawns zu sehen. Sabic arbeitete hierfür mit der estnischen Estiko Packaging Solutions zusammen. Der Beutel besteht aus einer mehrschichtigen Folie, die von Estiko Packaging Solutions unter Verwendung einer zirkulär zertifizierten Zufallspolymersorte von Sabic PP Qrystal hergestellt wird. Darüber hinaus werden 60 % ozeangebundener Verpackungsmüll (OBP) verwendet.
Am Sabic-Stand war auch ein neuer Beutel aus Meeresplastik für die gefrorenen Garnelen des norwegischen Unternehmens Coldwater Prawns zu sehen.
Bei OBP handelt es sich um zurückgelassenen oder unzureichend entsorgten Post-Consumer-Kunststoffabfall, der an Flussufern und in Flüssen bis zu 50 km landeinwärts von der Küste gefunden wird. In einem Recyclingprozess wird es in einen alternativen Rohstoff umgewandelt, aus dem Sabic zertifizierte Kreislaufpolymere produziert, die dann wieder in den Materialfluss für flexible Verpackungsprodukte eingespeist werden können.
Die neue Verpackung orientiert sich eng an den nachhaltigen Erntepraktiken von Kaltwassergarnelen aus Norwegen. Im Gegensatz zu Riesengarnelen aus Zuchtbetrieben werden die Kaltwassergarnelen des Unternehmens aus den tiefen Gewässern der Barentssee gefangen, dann gekocht, geschält und einzeln schnell eingefroren (IQF) für die Verpackung und den Verkauf.
Sabic zeigte Biokunststoff-Salatverpackungen für Bonduelles Premium-Sortiment aus seinem Truecircle-Portfolio. Dieses ist jetzt auch in zertifizierter Sabic BOPP-Folie verpackt, die mit einem Anteil an recyceltem Post-Consumer-Kunststoff hergestellt wird. Die BOPP-Folie wird von Vibac hergestellt und enthält 30 % recyceltes Material. Dieser Salatbeutel ist nach Gebrauch vollständig im Polyolefin-Abfallstrom recycelbar.
Für das Premium-Sortiment von Bonduelle zeigte Sabic eine Salatverpackung aus Biokunststoff.
Doch Sabic zeigte auf der interpack noch viele weitere Neuheiten. Inklusive hitzebeständigem Mono-PE-Standbeutel für Produkte, die in der Mikrowelle erhitzt werden müssen.
Dank einer Zusammenarbeit mit Covestro wurde ein neuer, vollständig recycelbarer Standbeutel entwickelt, der aus Sabic BOPE-Material hergestellt und mit Covestros hitzebeständigem Beschichtungsharz beschichtet ist.
Diese transparente Beschichtung, die sich derzeit in der Pilotphase befindet, wurde getestet und validiert und bietet einen größeren Siegeltemperaturbereich bei der Verarbeitung auf Form-Fill-Seal (FFS)-Linien für flexible Verpackungen. Dies verhindert sowohl ein Schrumpfen der Folie während des Form-, Füll- und Verschließvorgangs als auch ein Verkleben der Folie mit den Heißsiegelschienen beim Verschließen der Verpackung.
Dank einer Zusammenarbeit mit Covestro konnte Sabic einen neuen, vollständig recycelbaren Standbodenbeutel für die Mikrowelle entwickeln.
Der Chemieriese BASF zeigte auf der interpack ein neues sogenanntes LowPCF-Produktportfolio mit geringerem CO₂-Fußabdruck. Dieses Portfolio besteht aus verschiedenen Biokunststoffprodukten, die allesamt Biomethan als Rohstoff haben, der den üblichen fossilen Rohstoff Naphtha ersetzt.
Das LowPCF-Portfolio umfasst derzeit 18 Produkte. Dazu gehört auch eine Schale aus dem Biokunststoff Ultradur für frische Produkte, wie Fleisch oder Fisch.
Biomethan ersetzt Naphtha als Rohstoff für diese Lebensmittelbehälter der BASF.
Laut BASF sind die chemischen und physikalischen Eigenschaften identisch mit denen herkömmlicher Verpackungen auf Naphthabasis. Aufgrund der bereits abgeschlossenen Zertifizierung werden die LowPCF-Produkte kurzfristig für den europäischen Markt verfügbar sein. Das Produkt wird außerdem nachhaltig hergestellt, da bei der Produktion Ökostrom verwendet wird. Aufgrund der Materialzusammensetzung können die Produkte nur blickdicht und nicht transparent hergestellt werden.
Allerdings zeigte BASF auch Wurstverpackungen, die aus der chemischen Verwertung gemischter und ggf. verunreinigter Kunststoffe entstehen, auch wenn diese zuvor in Non-Food-Verpackungen eingesetzt wurden.
BASF hat Lebensmittelverpackungen entwickelt, die durch chemisches Recycling gemischter Kunststoffe hergestellt werden können.
Neben verschiedenen Beispielen des chemischen Recyclings mittels Pyrolyse wurde am Stand von Total auf einen ähnlichen Prozess mittels Hydrolyse geachtet. In diesem Fall aus einem Monomaterial in Form einer Biokunststoffverpackung aus Polymilchsäure (PLA). Total hat sich daher mit Corbion zusammengetan, mit dem es bereits ein 50/50-Joint Venture zur Produktion von PLA hatte. Das Ergebnis ist eine PLA-Polymerisationsanlage in Thailand mit einer Kapazität von 75.000 Tonnen pro Jahr.
Corbion liefert die für die Produktion des PLA und des Lactids notwendige Milchsäure. In derselben Fabrik in Thailand wird nun auch die Hydrolyse von gebrauchten PLA-Verpackungen angewendet, wodurch diese wieder für den Lebensmittelkontakt geeignet sind.
Am Total-Stand gab es Beispiele für das chemische Recycling von Polymilchsäure (PLA) durch Hydrolyse.
Zudem ist nur eine Temperatur von 60 Grad Celsius statt teilweise der zehnfachen Temperatur erforderlich, um das Produkt aufzuspalten. Obwohl das Produkt aus einem Monomaterial besteht, kann es mechanisch recycelt werden, was jedoch für neue Lebensmittelverpackungen nicht ausreicht. Dies hat vor allem mit den Verunreinigungen und Rückständen zu tun, die in einer Verpackung zurückbleiben.
Neben all den Beispielen für chemisches Recycling und Monomaterialien präsentierte der Papier- und Kartonhersteller Stora Enso seine eigene Vision, Verpackungen nachhaltiger zu gestalten.
Beispielsweise wurde auf der interpack eine Papiertube gezeigt, die 2024 auf den Markt kommen wird. Papierbasiert ist eine bessere Qualifikation, da die Tube aus laminiertem Papier zu mindestens 85 % aus Papier besteht. Die Innenseite ist mit einer funktionellen Feuchtigkeitsbarriere versehen.
Stora Enso hat eine Papiertube entwickelt, die 2024 auf den Markt kommen soll.
Da die Tube laut Hersteller zu mindestens 85 % aus Papier besteht, kann sie nach Gebrauch in der Mülltonne für Getränkeverpackungen aus Pappe entsorgt werden. Darin liegt laut Stora Enso also der Nutzen für die Umwelt – auch wenn es sich nicht um eine Monomaterialverpackung handelt.
Neben der Barriere besteht auch die Kappe aus Fasern, Stora Enso entwickelt hierfür jedoch eine papierbasierte Variante. Nach dem gleichen Prinzip zeigte der Hersteller auch eine Tiefkühlfruchtverpackung aus Pappe mit einer laminierten Kunststoff-Barriereschicht auf der Innenseite.
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